Geldwäsche für die Ndrangheta

Skandale hat Italien eigentlich schon genug. Silvio Berlusconi ist Dauerbrenner auf der Anklagebank, muss sich jetzt noch wegen Betrugs beim Erwerb von Filmrechten vor Gericht verantworten. Gegen den Chef des Katastrophenschutzes wird wegen Korruption ermittelt und nun noch dieser spektakuläre Finanzskandal!

Es geht um Steuerhinterziehung in dreistelliger Millionenhöhe und –noch schlimmer- um Geldwäsche. Das börsennotierte Unternehmen Fastweb, das mit Breitband-Internetverbindungen und Telefondienstleistungen einen Jahresumsatz von fast zwei Milliarden Euro erzielt, und eine Tochterfirma der italienischen Telecom sollen im Auftrag der organisierten Kriminalität Schwarzgeld gewaschen haben. Das Geld illegalen Ursprungs soll von einer britischen Gesellschaft nach Italien und wieder zurück nach Großbritannien geflossen sein, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.  Bis jetzt ergingen 56 Haftbefehle, darunter auch gegen einen Abgeordneten des italienischen Senats: Nicola di Girolamo. Er soll der Mittelsmann zwischen Finanzwelt und Mafia sein.

„Die Ndrangheta sitzt im Parlament“ so hat es ein Ermittler formuliert und so haben es die italienischen Zeitungen geschrieben. Und neben den Artikel ein Foto gesetzt, dass Nicola di Girolamo Arm in Arm mit einem Boss der Mafiaorganisation Ndrangheta zeigt. Die Beweise gegen den Politiker sind erdrückend. Besonders die abgehörten Telefongespräche mit Gennaro Mokbel, einem Unternehmer, der für seine Verbindungen zur extremen Rechten und zur Organisierten Kriminalität bekannt ist, haben ihn untragbar gemacht für seine Partei „Volk der Freiheit“ von Silvio Berlusconi. Mokbel warnte den frisch ins Amt gewählten Senator Di Girolamo am Telefon mit folgenden Worten: „Erinnere dich daran: du bist uns zu Diensten, du bist und bleibst mein Sklave, selbst wenn du Staatspräsident werden solltest.“

Di Girolamo ist erst seit zwei Jahren Abgeordneter im Senat. Er hatte im Auslandswahlkreis „Europa“ kandidiert, um die Interessen der in die verschiedenen europäischen Länder emigrierten Italiener zu vertreten. Die Möglichkeit für Italiener, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, eigene Vertreter ins italienische Parlament zu schicken, war erst durch eine Wahlgesetzänderung möglich geworden.

Die aktuellen Vorwürfe, die Wahl von Nicola di Girolamo sei durch Ndranghetamitglieder gesteuert worden, die in Stuttgart und anderen deutschen Städten Wahlzettel von den dort lebenden Italienern eingesammelt und dann nach ihren Wünschen ausgefüllt hätten, werden derzeit geprüft. Für die Ermittler ist klar, dass Di Girolamo als Kandidat von der Ndranghetafamilie Arena ausgewählt wurde und – so sagte Staatsanwalt Giancarlo Capaldo der Presse „als Mitglied der Ndrangheta für Finanzoperationen zuständig war“. Hier kommen das italienischen Telekommunikationsunternehmen „Fastweb“ und eine Tochterfirma der Telecom ins Spiel. Der Fastwebgründer und Ex-Chef Silvio Scaglia sowie eine Reihe von Managern werden beschuldigt, mit fiktiven Käufen und Verkäufen von Telekommunikationsdienstleistungen zwischen 2003 und 2006 knapp zwei Milliarden Euro der Ndrangheta gewaschen zu haben. Nach einem Bericht der italienischen Wirtschaftszeitung „Il sole 24 ore“ haben die Mafia-Gesellschaften durch die falschen Rechnungen den Managern geholfen, ihre Umsatzziele zu erreichen.

Die meisten der Beschäftigten sind von den Ermittlungen überrascht worden und zeigen sich schockiert. „Wir, die wir für Fastweb arbeiten, haben immer mit nationalen Kunden zu tun gehabt. Die Staatsanwaltschaft spricht von internationalen Transaktionen, davon habe weder ich noch meine Kollegen etwas mitbekommen,“ sagt dieser Mitarbeiter beim Verlassen der Konzernzentrale in Mailand. Auch die in Untersuchungshaft genommenen Topmanager haben angeblich von nichts gewusst. Sie streiten die Vorwürfe jedoch nicht ab. Silvio Scaglia, der seine Anteile an Fastweb vor drei Jahren an die Swisscom verkaufte und so zum Multimillionär wurde, wird von der Staatsanwaltschaft verhört.

Der Politiker Nicola di Girolamo ist zurückgetreten und muss nun ebenfalls der Staatsanwalt Rede und Antwort stehen. Für die Opposition ist der Fall Di Girolamo der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Skandalen um Verbindungen zwischen Politikern der Regierungspartei Volk der Freiheit und der Organisierten Kriminalität. So stehen auf den Kandidatenlisten für die demnächst anstehenden Regionalwahlen in Italien auch die Namen von Politikern, die bereits erstinstanzlich wegen Begünstigung der Mafia verurteilt wurden oder gegen die ermittelt wird. Italien befindet sich in einer rasanten Abwärtsspirale. Wie weit runter geht es noch?

4 Kommentare

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4 Antworten zu “Geldwäsche für die Ndrangheta

  1. Christoph DeNicola

    Die Senatoren des Rechtsbündnisses haben Di Girolamos Rechtfertigungsversuche anläßlich seiner Abschiedsrede im Senat mit freundlichen Beifall bedacht. (!) Dann fuhr der Senator nach Hause, verabschiedete sich von seiner Familie und nahm den von seiner Frau gepackten Koffer. Danach brachte man ihn direttisima ins Gefängnis.
    Eine Komödie. Ein absurdes Theater.

    Es fällt auf, dass egal wo rechte Populisten regieren, (etwa in Kärnten: Dörfler und Scheuch) die Grenzen des guten Geschmacks, der Umgang miteinander, bis ins Obskure verzerrt wird. Wenn einer der handelnden politischen Akteuere bei einer besonderen Dreistigkeit ertappt wird, purzeln die Reaktionen der rechten Parteibrüder plötzlich ins Nebulose, ins nicht mehr Fassbare.

    • Danke fuer den Kommentar. Ich persoenlich wuerde das skandaloese Verhalten der Senatoren des Rechtsbuendnisses im Fall Di Girolamo allerdings nicht unbedingt als Beispiel fuer das generelle Verhalten der politischen Rechten in Europa interpretieren, sondern als Beispiel fuer die nicht vorhandene Moral und die Kaeuflichkeit von Abgeordneten aus dem Berlusconilager. Hier geht nicht um rechts oder links, hier geht es um legal und kriminell. Erst wenn die politisch konservativ eingestellten Italiener verstehen, dass sie mit ihrer Stimme fuer Berlusconis Bande keine konservative Politik, sondern eine kriminelle Politik waehlen, kann es zu einem Wechsel kommen.

  2. Da muss man an den Kultfilm „Der Pate“ denken, wo Marlon Brando den Satz sagt: Ein Anwalt kann mit seiner Aktentasche mehr stehlen als Hundert Männer mit Maschinenpistolen. Sie sind immer schwieriger zu erkennen und haben es sich längst in der ganz normalen Wirtschaft bequem gemacht.

  3. kann mich meinem vorredner anschließen – sehr gutes beispiel.

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